Das Reisen mit Kindern und Hund ist sicherlich nichts Außergewöhnliches. Doch wenn es sich bei den Reisen um Fernreisen handelt und das Reisemobil ein selbstausgebautes Expeditionsfahrzeug darstellt, dann bin ich hier bei 1camper natürlich neugierig. Umso mehr freue ich mich, dass Nicole und Benny sich bereit erklärt haben, ihren Mercedes Atego 4×4 mit selbst ausgebautem, familienfreundlichen Wohnaufbau im Interview vorzustellen. Viel Spaß beim Lesen!
--- Kurz und knapp in Zahlen... so alt sind wir beide zusammengerechnet: 74 Jahre so lange kennen wir uns schon: 19 Jahre so lange campen wir bereits gemeinsam: 13 Jahre so lange besitzen wir unser derzeitiges Fahrzeug: 1 Jahr Unser Fahrzeug im Steckbrief... Marke, Modell und Motorisierung: Mercedes Benz Atego 4x4 1023 238 PS 4 Zyl. Gesamtgewicht reisefertig: 8,5 t Baujahr: 2023 KM-Stand: 6500 km ---
Liebe Nicole, lieber Benny, stellt euch doch gerne kurz vor. Wo kommt ihr her und was macht ihr in eurer Freizeit so alles?
Wir kommen aus der Mitte Deutschlands aus dem Thüringer Wald und leben dort in einem kleinen Dorf auf dem Land. Das bietet uns mit Scheune und Co. genügend Platz zum Ausbauen. Benny´s Freizeit besteht aktuell zu 80% Wohnmobil bauen, ansonsten ganz klischeehaft ein bisschen Fitnessstudio, Rad fahren und zum Großteil unsere Kinder glücklich machen.
Wie habt ihr euch kennengelernt? War von Anfang an klar, dass Fernreisen euer gemeinsames Hobby sein werden?
Wir kennen und lieben uns seit Schulzeiten und haben tatsächlich recht ähnliche Interessen. An Fernreisen war damals natürlich noch nicht zu denken. Mit dem Erwerb unseres ersten Hundes wurde das Thema Urlaub problematischer. Fliegen und Hitze sind für den Hund nicht optimal, Ferienwohnung oft verboten. So kam schnell die Lösung des Urlaubs auf vier Rädern auf den Tisch. Da wir beide in der Freizeit das Nomadengen teilen und ungerne lange an einem Platz verweilen, ist Fernreise und das Wohnmobildasein für uns ideal. Diese Vorliebe müssen dann natürlich alle teilen, aber wir haben Glück – das Nomadengen scheint vererbbar zu sein.
Unter eurem Account family_in_a_box teilt ihr Einblicke in den Auf- und Ausbau eures Expeditionsmobils. Dabei handelt es sich um einen Mercedes Atego 4×4 1023. Wieso habt ihr euch genau für dieses Fahrzeug als Basis für ein Expeditionsmobil entschieden?
Wir wollten unbedingt wieder ein 4×4 Fahrzeug. Nun lässt sich unser Vorgänger, ein VW Amarok mit Aufsatzkabine, nur bedingt mit einem Atego vergleichen. Aber Geländegängigkeit sollte es wieder sein. Zu dritt war der Amarok noch ausreichend, aber mit Kind Nr. 2 waren die 3,5 Tonnen einfach zu wenig. Die Auswahl und die Suche des Fahrgestells war dann recht langwierig. Der Gebrauchtwagenmarkt nahezu leer gespült, oder Preisvorstellungen absolut jenseits von gut und böse. So war schnell klar, es wird ein Neuwagen. Dort blieben uns dann nach langer Recherche nur drei Möglichkeiten.
- Iveco Daily 4×4 7,5 t – lange Favorit
- Canter Fuso 4×4 7,5 t – Fahrerbereich zu niedrig für Fahrer über asiatischer Durchschnittsgröße
- doch größer?
Warum nun doch größer?
Ganz ehrlich es war dann eine Entscheidung nach Fakten. Preis-Leistung, passable Lieferzeit, guter Servicepartner vor Ort und eine sehr gute Onlineplattform für eine detaillierte Konfiguration. Das gab´s für uns nur bei Mercedes und für uns gehen die selbstgewählten Fahrgestellmaße super auf.
Wurde der Atego für eine bestimmte Reise gekauft?
Klares Nein! Wir nutzen das Wohnmobil vielfältig für alle Reisen, aber auch mal für Oma´s Geburtstag als Schlafplatz für die Kinder. Die klassische Weltreise und der Trip in die Sahara sind im Moment noch nicht geplant. Dafür werden wir im Arbeitsalltag dann doch vor Ort zu sehr gebraucht.
Wenn ich das richtig verfolge, dann ist der Aufbau, mit Ausnahme der Leerkabine, Marke Eigenbau. Wie seid ihr an das Projekt rangegangen?
Mit Millimeterpapier und Bleistift, um dann ein komplettes Modell in Originalgröße aus OSB-Platten im unserem Keller zu bauen. Bei unseren beiden Vorgängern hat uns immer am meisten die Sitz- und Essgelegenheit gestört. Grund genug unseren Aufbau komplett nach der Konstruktion und den Maßen der Hecksitzgruppe zu richten. Camping findet ja eigentlich draußen statt, aber jeder, der schon mal im Norden unterwegs war oder zu Zeiten außerhalb der Saison, wird uns beipflichten, dass Campen auch drin möglich sein muss. Mit den zwei Mädels ist im Moment ja auch kein abendlicher Gang in den nahegelegenen Pub möglich, um dem schlechten Wetter auszuweichen. Also wollen wir auch drinnen gemütlich sitzen und auch genügend Freiraum für alle haben.
Das Millimeterpapier hat uns dann natürlich auch zur Kabinenschmiede unseres Vertrauens begleitet. Das Herstellen und Verkleben der Platten ist das einzige, was wir aus der Hand gegeben haben.
Könnt ihr uns kurz euren Grundriss beschreiben?
Es dreht sich alles um unsere Hecksitzgruppe in U-Form mit 3 großen Fenster an jeder Seite und Panoramaluke auf der Beifahrerseite. Angrenzend daran befindet sich auf der Fahrerseite ein großer Kleiderschrank mit Platz für Kleidung für vier Personen für ca. 2-3 Wochen.
Gegenüber befindet sich die Küchenzeile mit Kühlschrank, Kochfeld, Spüle und Oberschrank. Die Küche ist eher kompakt, da wir nach Möglichkeit die Außenküche benutzen und dazu auch keine großen Köche sind. Neben dem Kleiderschrank befindet sich unser Bad mit Toilette und Dusche. Wir verwenden noch die klassische Chemietoilette, da die Kinder noch keine andere Option zuverlässig bedienen können.
Für uns ist ein tatsächlich nutzbares Bad sehr wichtig und wird auch nicht zur Gerümpelkammer umfunktioniert.
An der Rückwand der Fahrerkabine, also in Front der Kabine, befindet sich dann auf voller Kabinenbreite das Doppelstockbett mit Stauraum unter den Betten für alles Unhandliche, wie z.B. Stühle, Kinderwagen und Co. Direkt neben der Tür und den Betten findet sich dann noch unsere kleine Garderobe, in die überraschenderweise auch ein Großteil der Jacken, Schuhe und Mützen passen.
Eine Kleinigkeit fehlt natürlich noch – das Bett für uns Erwachsene. Wir haben uns für ein Hubbett der Marke Eigenbau (Rollädenmotoren sind auch außerhalb des Hauses prima) mit den Maßen 2,30 x 1,60 m entschieden um auch bei nächtlichem Besuch Platz für alle zu haben.
Das eingebaute Stockbett suggeriert, dass eure Kinde fester Bestandteil eurer Reisen sind. Was ist euer Konzept, um das Expeditionsmobil möglichst familienfreundlich auszugestalten?
Bis auf ein paar kinderfreie Minitouren sind unsere zwei Mädels, 2 und 6 Jahre alt, unsere stetigen Begleiter. Wir haben das große Glück, dass beide sehr gute Autofahrer sind und augenscheinlich auch das Reisefieber ein gewisses Erbpotential besitzt.
Wenn es das Reiseziel zulässt und er zu Hause nicht gebraucht wird, ist auch unser Familienhund mit an Bord. Das heißt wir brauchen für uns 4+1 auch den nötigen Platz und vor allem auch Freiraum um sich nicht auf den Füßen rum zu treten.
Die Mädels spielen gerne auf ihren Betten oder nutzen den Höhlencharakter der Doppelstockbetten als Rückzug aus. Damit wir abends auch mal den Beamer anschmeißen können und auch in Ruhe zu zweit noch Zeit verbringen können, ist der Kinderschlafbereich maximal weit weg von der Hecksitzgruppe und zusätzlich mit der Badtür räumlich abtrennbar. Jeder hat dann seinen eigenen Bereich mit Bett, Fenster und genügend Stauraum für Spielzeug am Fußende.
Wichtig ist auch der große Tisch an dem entweder jeder für sich oder alle gemeinsam seine Bedürfnisse erfüllen kann.
Gibt es etwas, auf das ihr bei eurem Ausbau ganz besonders stolz seid?
Besonders stolz sind wir, dass wir alles so umsetzen konnten wie wir es uns vorgestellt haben, Dazu waren knapp 3 Jahre Planung und Ausbau nötig, aber die haben sich für uns definitiv gelohnt. Klar hat gerade der Zeitplan öfters mal etwas gelitten, aber dann geht es eben im ersten Urlaub auch mal ohne fertige Dusche und Heizung. Und da wir auch nach jetzt knapp 10 Monaten noch nichts gefunden haben, was wir anders machen würden, sind wir zufrieden.
Für mich als Frau ist am tollsten die aktuelle Heizsituation, ich bin begeistert von der Fußbodenheizung. Die uns beim Bau tatsächlich fast den letzten Nerv geraubt hat und die meiste Zeit beim Ausbau in Anspruch genommen hat. Aber nochmal eine Warmluftheizung zu benutzen, war für uns nicht mehr vorstellbar.
Wie lange könnt ihr mit eurem Fahrzeug autark reisen? Welche Kapazitäten sind bei Wasser, Abwasser und Strom bzw. Batterie eingeplant?
Schwierige Frage. Im Moment begrenzt uns zu Viert am meisten die Kapazität der Klokassette. Weswegen wir jetzt auch eine zweite angeschafft haben und damit sind wir dann ca. 5-6 Tage autark. Die allgemeinen Kapazitäten sind für ein Exmo eher gering und nicht saharatauglich, aber das sind wir personell aktuell ja auch nicht.
Frischwasser haben wir 200l und Grauwasser 100l an Bord. Die Batterie und der Strom sind aktuell die am wenigsten eliminierende Bedingung, wir haben eine 24 V Lithiumbatterie mit 100 A/h und eine 1 KW Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.
Auf welchen Reisen konntet ihr den Atego denn schon ausgiebig testen und wie hat er sich geschlagen?
Unsere erste Tour zum Kennenlernen ging nach Österreich, damals noch ohne Dusche und Heizung. Die zweite Tour war dann gleich der Kältetest für alle Systeme, das war der Skiurlaub ebenfalls in Österreich. Da wir das Wohnmobil ganzjährig nutzen wollen, war das natürlich sehr wichtig. Die Heizung konnten wir dann endlich auch so richtig testen.
Die erste richtige Tour, wie wir in der Regel verreisen, ging nach England. Wir waren nahezu die ganze Zeit in Wales als Rundreise ohne feste Planung und feste Stellplätze unterwegs.
Das Interview schreibe ich aktuell aus Finnland von unserer Ostseerunde. Wir sind jetzt mittlerweile über zwei Wochen unterwegs immer entlang der Ostsee. Gestartet sind wir in Dänemark und fahren so wie es uns gefällt im Uhrzeigersinn durch den Norden.
Bis auf einen kleinen Wasserschaden, bei dem sich ein Verbinder der Warmwasserleitung gelöst hat, sind wir mehr als zufrieden mit dem Atego und dem generellen Ausbau.
So an sich fährt sich der Atego wirklich sehr solide egal was man ihm für einen Fahruntergrund bietet bzw, welche Wetterverhältnisse vorliegen. Bei einem Dieselverbrauch von ca. 18 l /100 km sind wir im Moment auch sehr gut unterwegs. Die Reifen beschäftigen uns aktuell und werden wahrscheinlich im Frühjahr 2025 ein Thema sein.
Gibt es etwas, das ihr das nächste Mal anders bauen würdet?
Bis vor kurzem hätten wir „nichts“ geantwortet. Jetzt sagen wir, wir würden nicht wieder Spannschellen im Wasserleitungssystem verwenden (wegen dem „Wasserschaden“ im Urlaub.) Ansonsten ist so weit alles so wie wir es uns vorgestellt haben.
Wie läuft für euch denn generell das Reisen mit Kindern – habt ihr euch das alles genau so vorgestellt oder gab bzw. gibt es ab und zu mal eine Überraschung?
Mit den Kindern ist nicht immer alles planbar. Eine mobile Toilette und Dusche ist dabei Gold wert um mit allen Überraschungen umgehen zu können. Der Tagesablauf und die Route gestaltet sich natürlich immens nach den Bedürfnissen der Kinder. Bei großen Touren und Rundreisen sind wir in der Regel jeden Tag etwa 2-3 h auf vier Rädern unterwegs. Das ist für alle gut zu schaffen und danach können wir dann auch unsere Reisen planen.
Rundreisen sind die Form von Urlaub, die wir mit dem Wohnmobil favorisieren und diese klappen zu 90% auch mit den Kindern. Alle müssen dabei flexibel sein und es ist natürlich ganz anders als das Reisen vorher zu zweit oder nur mit Hund.
Für den Ernstfall haben wir alles an Bord, dass mussten wir auch erst lernen. Da selbst in gut entwickelten Ländern wie Norwegen mitunter die medizinische Versorgung nicht vergleichbar ist mit unseren deutschen Standards. Kinderärzte gibt es dort meist nur in Großstädten. Da Kinder gerade auf längeren Reisen auch mal krank werden, haben wir dann für alle Krankheiten tatsächlich alles dabei.
Ich werde euer Projekt in jedem Fall weiter mit Interesse verfolgen. Wollt ihr mir noch zum Abschluss verraten, welche Reisen in naher Zukunft alles geplant sind?
Aktuell befinden wir uns mitten auf unserer Ostseerunde, die wir schon ewig machen wollten. Im Herbst geht es in den Süden und dazwischen gibt es ein paar Kurztrips. Im Februar 2025 geht es in die Dolomiten, ansonsten diskutieren wir im Moment noch wild über die Planung der weiteren Reisen für 2025. Der Einflug der Papageientaucher in Norwegen, Baltikum und generell Norwegen sind gerade in der Diskussion.
Generell steht für uns in naher Zukunft das Offroadparadies Island, Rumänien und Albanien noch auf der Wunschliste. Vielleicht geht es auch irgendwann ähnlich wie um die Ostsee auch einmal rund ums Mittelmeer. Aber alles zu seiner Zeit.
Wir möchten noch Danke sagen für euer Interesse an unserem kleinen Lebenstraum und wer bis hier gelesen hat, vielen Dank fürs Zuhören und wir hoffen wir haben euch nicht zu sehr gelangweilt.
Auch ich bedanke mich ganz herzlich für die ausführlichen Informationen sowie die zur Verfügung gestellten Bilder. Weiterhin viel Spaß und tolle Erlebnisse mit der ganzen Familie in eurem Mercedes Atego!