Pickups sind überraschend wandelbar. Ihr Einsatzbereich reicht vom Transport sperriger Gegenstände auf einer offenen Ladefläche, über den Ausbau zum Camper mittels Wohnkabine, bis hin zum Zugfahrzeug für Wohnwagen und andere Anhänger. Was macht Pickups zu optimalen Zugfahrzeugen?
Pickups als Zugfahrzeuge und Camper
Richtige Pickups sind nicht nur normale SUVs mit offener Ladefläche. Auch wenn sich die Modellreihen innerhalb eines Konzerns Komponenten teilen, gibt es Charakteristika, die den Pickup zu dem machen was er ist: universell einsetzbar und robust.
Starrachse mit Blattfederung
Die Starrachse steht im Gegensatz zur Einzelradaufhängung, wie sie heute in den meisten PKWs vorzufinden ist. Sie spielt ihre Vorteile vor allem unter Belastung und im Gelände aus. Eine starrer Achskörper verbindet zwei gegenüberliegende Räder fest mit dem Chassis. Blattfedern sorgen in der Regel dafür, dass sich die Räder vertikal bewegen, d.h. federn, können. Die Konstruktion ist stabiler und robuster als die deutlich komplexere Einzelradaufhängung. Und: sie ist günstiger in der Herstellung. Das macht sie für Transportfahrzeuge aus der wirtschaftlichen und funktionalen Sicht interessant.
Der Nachteil liegt vor allem im Komfort. Die Räder verlieren an Flexibilität und können nicht unabhängig voneinander einfedern. Zudem benötigt die Starrachse mit Blattfedern etwas mehr Raum unter dem Fahrzeug als Einzelradaufhängungen.
Um einen Kompromiss zwischen Komfort und Funktionalität herzustellen, verbaut die Automobilindustrie Starrachsen samt Blattfederung nicht mehr an allen vier Achsen. Die Starrachse hinten wird kombiniert mit einer Einzelradaufhängung vorne. Bei genauer Betrachtung macht das auch sehr viel Sinn. Die Hauptbelastung bei Transportfahrzeugen liegt auf der Hinterachse, z.B. aufgrund einer schweren Ladung oder eines hohen Zuggewichts mit entsprechender Stützlast. Der Hinterachse wird daher eine besonders hohe Robustheit abverlangt.
Leiterrahmen
Das oben beschriebene Starrachsen Konzept findet man eigentlich ausschließlich in Kombination mit einem Leiterrahmen. Der Rahmen hat seinen Namen von einer Leiter, da er durch die zwei langen Außenverstrebungen und mehrere innere Querverstrebungen wie eine Leiter aussieht.
Auch hier wieder ist der Vorteil, dass der Leiterrahmen deutlich robuster ist, als die selbsttragenden Karosserien moderner PKWs. Ein Leiterrahmen verbessert die Verwindungssteifheit des Fahrzeugs. Essentiell, um Hindernisse im Gelände zu passieren.
Anhängerlast und Nutzlast
Starrachse und Leiterrahmen sind nur dann notwendig, wenn das Fahrzeug entweder viel im Gelände gefahren, oder größere Lasten bewegt werden. Letzteres wird durch die zwei Begriffe Anhängerlast und Nutzlast charakterisiert.
Die Anhängerlast, oder auch Zuglast genannt, sollte jedem klar sein. Es handelt sich hierbei um das maximale Gewicht, welches das Fahrzeug ziehen darf. Die Anhängerlast ist für alle Pickup Besitzer relevant, die Wohnwagen oder sonstige Anhänger ziehen möchten. Eine Auflastung der Grenzwerte ist technisch möglich, aber nicht zu empfehlen. Das Fahrwerk wird im Rahmen des Umbaus verstärkt, der Motor jedoch nicht. Er ist daher erhöhtem Verschleiß ausgesetzt.
Die Nutzlast dagegen spezifiziert, welche Zuladung erlaubt ist. Die Angabe bezieht sich nicht nur auf die Ladung im Kofferraum, sondern die Gesamtmasse der Last. Ein Blick auf die Nutzlast ist damit für diejenigen wichtig, die schwere Güter Transportieren oder eine Wohnkabine auf ihren Pickup aufsetzen möchten.
Neben den reinen Gewichtsbeschränkungen bei der Nutz- und Zuglast, sollte auf eine elektronische Unterstützung für die Anhänger-Stabilisierung geachtet werden. Werksseitig eingebaute Anhängerkupplungen enthalten das Assistenzsystem für Anhänger meist serienmäßig. Dadurch sich die Fahrstabilität des gesamten Gespanns. Außerdem ermöglicht die Anhänger-Stabilisierung eine unkomplizierte 100km/h Zulassung.
Spezifikationen von VW Amarok, Toyota Hilux, Ford Ranger und Mercedes X-Klasse
VW Amarok |
Toyota Hilux |
Ford Ranger |
Mercedes X-Klasse |
|
Starrachse und Blattfederung |
Ja, an Hinterachse |
Ja, an Hinterachse |
Ja, an Hinterachse |
Ja, an Hinterachse |
Leiterrahmen |
Ja |
Ja |
Ja |
Ja |
Max. Zuglast / Anhängerlast |
2,9 Tonnen, |
3,2 Tonnen, |
3,5 Tonnen, Anhängervorrichtung nur in Verbindung mit Allrad |
3,2 Tonnen, |
Anhänger-Stabilisierung |
Serienmäßig |
Serienmäßig |
Serienmäßig |
Serienmäßig |
Max. Zuladung / Nutzlast |
0,8 bis 1,16 Tonnen (max. Wert nur mit den optionalen 3+2 Blattfedern) |
1,0 bis 1,06 Tonnen |
1,0 bis 1,2 Tonnen |
0,86 bis 1,06 Tonnen (< 1 Tonne nur bei Topmodell 350d) |
Allrad |
Optional, 8-Gang Automatik mit permanentem Allrad (4Motion), Torsen Differenzial zuschaltbar: Hinterachs-Sperre, Geländeuntersetzung |
Serienäßig bei Doppelkabine, elektronisch zuschaltbar, Automatik nur in Duty Version |
Serienmäßig bei Doppelkabine, elektronisch zuschaltbar |
Optional, zuschaltbar oder permanent, mit Schalt- oder Automatikgetriebe (4matic) |
Maximale Motorleistung |
3.0 Liter TDI, 6- Zylinder, 224 PS, 550 NM Drehmoment |
2.4 Liter 4-Zylinder Diesel, 150 PS, 400 NM Drehmoment |
3.2 Liter TDCi 5-Zyliner, 200PS, 470 NM Drehmoment |
350d, 3.0 Liter 6-Zylinder, 258 PS, 550 NM Drehmoment |
Max. Drehmoment bei 1/min |
1.250 bis 2.500 |
1.600 bis 2000 |
1.500 bis 2.500, Ausnahme: 3,2 TDCi bei 1.500 bis 2.750 |
1.500 bis 2.500, |
Differentialsperre |
Hinterachs-Differential |
Differentialsperre vorne und hinten |
Differentialsperre vorne und hinten bei 4×4, sonst nur hinten |
Hinterachs-Differential |
Vergleich der Spezifikationen
Alle vier untersuchten Pickup Modelle weisen die für Zugfahrzeuge wichtigsten Spezifikationen auf: sie verfügen über einen Leiterrahmen und eine hintere Starrachse mit Blattfederung. Der Toyota Hilux muss sich seinen Konkurrenten allerdings in Sachen maximaler Motorleistung geschlagen geben. Sowohl das Drehmoment von 400 NM als auch die 150 PS sind deutlich unter dem, was Amarok, Ranger und X-Klasse zu bieten haben.
Es darf aber die berechtigte Frage gestellt werden, ob ein 3.0 oder sogar 3.2 Liter Motor wirklich notwendig sind. In meinen Augen nicht unbedingt. Der Toyota Hilux wird einen 1,6 Tonnen Wohnwagen ebenso gut ziehen, wie ein VW Amarok, Ford Ranger oder eine Mercedes X-Klasse. Der Leistungsunterschied wird sich hauptsächlich bei Passfahrten bemerkbar machen. Fahrspaß wird bei steilen Straßen und engen Kurven mit kurzen Beschleunigungswegen allerdings nicht aufkommen. Da muss man dann schon zu den größeren Motoren greifen.
Interessant finde ich persönlich den VW Amarok. Er wird inzwischen nur noch mit 3.0 Liter TDI und 6-Zyliner Motor ausgeliefert. Bereits in der Basisversion weist er ein maximales Drehmoment von 450 NM auf. Wirklich aufregend dabei ist, dass das Drehmoment im Bereich von 1.250 bis 2.500 Umdrehungen erreicht wird. Zu Vergleich: der Hilux liefert sein maximales Drehmoment nur im Bereich zwischen 1.600 und 2.000 Umdrehungen pro Minute.
Toyota Hilux und Ford Ranger punkten eher bei den Offroad Fähigkeit. Differentialsperre vorne und hinten bringen selbst bei starken Verschränkungen ausreichend PS auf den Acker. Zudem sind bei beiden Modellen bereits in der Basisversion eine maximale Zuladung von > 1 Tonne möglich. Das gilt im Übrigen auch für die Mercedes X-Klasse.
Alle drei, also Hilux, Ranger und X-Klasse sind dem Amarok eine Nasenlänge voraus bei der maximalen Anhängerlast. Zwar gibt es auch den Amarok mit Auflastung auf 3,5 Tonnen, allerdings muss dazu schon tief in die Tasche gegriffen werden. Ohne 4Motion und 8-Gang Automatikgetriebe bietet der Amarok nur 2,9 Tonnen Zuglast.
Welcher Pickup ist das bessere Zugfahrzeug?
Welcher Pickup nun am Ende das bessere Zugfahrzeug ist, hängt von dem konkreten Vorhaben ab. Nehmen wir an, wir suchen einen Pickup, der einen Wohnwagen im klassischen Gewichtsbereich von 1,4 bis 1,6 Tonnen von A nach B zieht. Zudem sollte das Gespann auch bei Steigungen auf der Autobahn nicht gleich einschlafen. Alle hier vorgestellten Pickups stellen bereits in der Basisversion ausreichend Leistung zur Verfügung, um den Anforderungen zu genügen.
Möchtest du allerdings gelegentlich mit dem Fahrzeug (ohne Wohnwagen) ins Gelände, dann würde ich mich bei Ranger oder Hilux mit Vorder- und Hinterachsdifferenzial umsehen.
Wer dagegen Fahrspaß auf Autobahn und Landstraße sucht oder deutliche schwerere Lasten transportieren muss, der ist mit dem Amarok am besten bedient. Sein 3,0 Liter V6 Motor hält selbst Gespanne jenseits der 3,0 Tonnen Anhängerlast auf Trab. Das beachtliche dabei: den großen Motor gibt es bereits im Basismodell. Bei Mercedes jedoch erst jenseits der 50.000 Euro.
Mercedes wiederum spielt seine Vorteile bei, man ahnt es schon, der Individualität aus. Die X-Klasse kann in fünf verschiedenen Getriebe- und Motorenvarianten bestellt werden. Hinzukommen fünf Ausstattungslinien. Ein ähnliches Bild zeichnet sich beim Interieur ab. Es stehen verschiedenste Materialen und Interieurfarben auf der Aufpreisliste. Ein einfaches Lasttier für Handwerker oder ein rein funktionales Zugfahrzeug für Camper ist die X-Klasse damit garantiert nicht mehr. Ein Pickup der Luxusklasse eben.
Galerie
VW Amarok
Bildmaterial: VW Nutzfahrzeuge
Toyota Hilux
Bildmaterial: Toyota
Ford Ranger
Bildmaterial: Ford
Mercedes X-Klasse
Bildmaterial: Daimler
vielen Dank für den informativen Vergleich!
Der Hilux hat allerdings keine Differentialsperre vorne, sondern sperrbar nur hinten und im 4WD immer ein gesperrtes Mitteldifferential.