Dachzelt Camping liegt im Trend. Entsprechend umfangreich ist das Sortiment an Dachzelten auf dem deutschen Markt. Es muss aber nicht immer ein gekauftes Dachzelt sein. Ein Dachzelt kann man auch selber bauen. Die DIY und Selbstbau Communities bieten momentan zwar noch nicht so viele Praxisbeispiele, doch mit etwas Recherche findet man hilfreiche Tipps und Tricks. Ich habe die wichtigsten Informationen zusammengetragen.
Kaum eine andere Camping-Variante verspricht so viel Nähe zur Natur, wie eine Übernachtung im Dachzelt. Von der Außenwelt nur durch eine Schicht Zeltstoff getrennt, fühlt man sich Eins mit der Natur. Im Vergleich zum Bodenzelt kann das Dachzelt mit einem unkomplizierteren Aufbau punkten. Einhämmern von Heringen in verdichtete Böden oder mühevolles Zusammenstecken von Zeltstangen gehören der Vergangenheit an. Zudem garantiert die höhere Positionierung auf dem Fahrzeugdach einen schönen Ausblick über die umliegende Landschaft.
Wer in den Genuss dieses Ergebnisses kommen möchte, muss tief in die Tasche greifen. Je nach Qualität und Ausstattung kostet ein Dachzelt um die 3.000 EUR. Querträger zur Befestigung und Montage noch nicht inbegriffen.
Mich hat es vor dem Hintergrund der doch recht hohen Preise gewundert, dass der DIY Trend in der Dachzelt-Welt noch nicht wirklich angekommen ist. Es ist recht schwierig an brauchbare Informationen zu gelangen. Über vergleichbare Projekte, z.B. dem Bau eines Bodenzeltes oder eines Hubdachs, findet man aber trotzdem ausreichend Tipps und Tricks.
Äußere Form und Innenmaße des Dachzeltes festlegen
Wie bei jedem anderen DIY Projekt auch, solltest du dir genau überlegen, wie dein Dachzelt aussehen soll. Dabei gibt es zwei zentrale Entscheidungen:
Welche Form soll das Zelt annehmen?
Ich finde die Google Bilder Suche extrem hilfreich, um erste Ideen zu generieren. Einfach das richtige Stichwort eingeben und man erhält eine Vielzahl an Bildern von verschiedenen Aufbauten. Folgende Varianten gibt es: Hartschalen-Parallelhubdach, Hartschalten-Klappdachzelt und ein Klappdachzelt ohne Oberschale. Globetrotter beschreibt die Varianten mit ihren Vor- und Nachteilen sehr detailliert: Kaufberatung Autodachzelte.
Grundsätzlich lässt sich jedes Modell auch im Eigenbau realisieren. Meines Erachtens eignet sich das Hartschalten-Klappdachzelt aber am besten, da die Konstruktion am einfachsten ist.
Welche Innenmaße soll es haben?
Bei der Planung der Innenmaße sollte man das Trägerfahrzeug nicht ganz außer Acht lassen. Je größer das Dachzelt umso höher das Gewicht. Autos haben jedoch eine begrenzte Dachlast, die nicht überschritten werden darf. Sonst besteht die Gefahr, dass die Verankerung aus dem Dach reist oder sich der Schwerpunkt zu stark verschiebt und das Fahrverhalten beeinträchtigt.
Man kann sich auch gut an dem eigenen Bett zu Hause orientieren: wer in 140cm schläft weiß, dass der Platz zu Dritt, d.h. zwei Erwachsene plus ein Kind, durchaus eng werden kann. Ich halte die Größe trotzdem für optimal, da sie ein bequemes Schlafen für zwei Personen ermöglicht und in Einzelfällen auch eine (kleine) dritte Person dazukommen kann.
Material für Hartschalten-Box und Seitenwände besorgen
Für die Außenbox bietet sich ein stabiler Werkstoff wie z.B. Multiplex an. Achte aber bitte darauf, dass die Verleimung des Holzes wasserfest ist („water boiled proof“). Das bedeutet allerdings nicht, dass das gesamte Multiplex wassergeschützt ist. Das Holz muss zusätzlich imprägniert werden. Eine sehr robuste (aber auch teure) Möglichkeit ist die Beschichtung mit WoodCon. Die Imprägnierung bildet eine wasserabweisende Schicht und verhindert gleichzeitig eine Bildung von Schimmelpilzen. Alternativ bietet sich Leinölfirnis* an.
Der Grundriss der Box sollte der gewünschten Matratzengröße plus einem kleinen Puffer entsprechen. Der Puffer ist wichtig, damit ausreichend Platz vorhanden ist, um den Zeltstoff der Seitenwände im zugeklappten Zustand verstauen zu können. Zudem verhindert ein Abstand der Matratze zu den Seitenwänden ein Überspringen von Kondenswasser, das sich gerne am Zeltstoff ansammelt.
Beträgt die Matratzengröße 140x200cm würde ich einen Grundriss der Dachzelt Hartschale von 150x210cm wählen, d.h. jeweils 5cm Seitenabstand.
Die Höhe der Hartschale wird festgelegt über die Addition der Höhe der Komponenten Matratzenauflage, Matratze und Bettdecke. Das Bettzeug vergisst man bei der Planung gerne. Ich fände es total unpraktisch, wenn es nicht in der Hartschale mit verstaut werden könnte.
Weitere Materialien, die benötigt werden sind:
- Styroporplatten* zur Isolierung von unten
- Scharniere* zum Aufklappen der Hartschale
- Dämpfer/Gasdruckfeder*, die den Deckel geöffnet halten
- Zeltstoff (s.u.) für die drei offenen Seitenwände
- Langer Reißverschluss* (ca. 250cm)
- Imprägnierspray* für den Zeltstoff
- Vierkant Rohre zur Verstärkung des Unterbodens (2 St. ca. in der Länge der Box)
- Kederleisten (s.u.)
Welcher Stoff ist am besten geeignet für das Dachzelt?
Segeltuch
Segeltuch, auch Canvas genannt, ist ein Übergriff für dicht und sehr fest gewebte Stoffe aus starkem Garn. Früher wurden ausschließlich Naturfaser wie Baumwolle oder Hanf verwendet. Inzwischen wird der Stoff aber auch aus Chemiefasern wie z.B. Polyester hergestellt.
Hochwertige Zeltstoffe aus Canvas, wie sie auch zu militärischen Zwecken oder in der Schifffahrt verwendet werden, bestehen aus einem Garn mit Polyesterseele und Baumwollumspinnung. Die Polyesterseele ist reiß- und scheuerfest sowie hydrophob, d.h. wasserabweisend. Ideal also für Stoffe, die der Witterung ausgesetzt sind.
Stoffe aus reinem Polyester hätten allerdings den Nachteile, dass Wasser durch Mikrolöcher oder kleine Abstände dringen kann. Um dies zu vermeiden wird hochwertiges Garn mit einer Baumwollumspinnung versehen. Baumwolle quillt bei Feuchtigkeit auf und verdichtet den Stoff. Zudem ist Baumwolle atmungsaktiv, es trägt das Schwitzwasser vom Zeltinneren nach außen.
Ripstop-Nylon
Stilikoniertes Nylon ist eine moderne Alternative zu Canvas-Stoffen. Ripstop bezeichnet dabei die Webstruktur und Nylon das Garn.
Ripstop-Nylon ist besonders reißfest, weil im Abstand von 5 bis 8 Milimetern dickere Garne in ein ansonsten dünnes Gewebe integriert werden. Mehr dazu findest du hier: Ripstop. Nylon ist eine Chemiefaser, die aus Polyamiden besteht. Nylongarn ist elastisch und damit dehnbar. Die synthetische Faser hält auch größeren Belastungen stand.
Eine reine Nylonfaser wäre allerdings wasserdurchlässig. Deshalb wird sie mit einer Silikonschicht ummantelt. Silikoniertes Nylon weist alle Vorteile von Nylonfasern auf und ist zusätzlich extrem wasserabweisend. Je nach Dicke der Silikonschicht ist es auch mittel bis gut UV resistent.
Zu den Ripstop-Nylon Textilien*
Fazit: Segeltuch vs. Ripstop-Nylon
Baumwollcanvas (Segeltuch) spielt seine Vorteile vor allem beim Raumklima aus. Auch bei größeren Temperaturdifferenzen zwischen Zeltinnerem und -äußerem verhindert der Baumwollgarn zuverlässig eine Kondenswasserbildung an den Zeltwänden.
Ripstop-Nylon kann bereits mit einer sehr geringen Materialstärke die gleiche Reißfestigkeit wie Baumwollcanvas erreichen. Das Material ist daher sehr leicht und optimiert die Gewichtsbelastung auf dem Autodach. Ripstop-Nylon ist allerdings weniger für den Dauereinsatz in Gegenden mit starker Sonne gedacht. In den westlichen Breitengraden spielt das kaum eine Rolle. Für Wüstentouren sollte das Material allerdings nicht verwendet werden.
Dachzelt aus Multiplex und Zeltstoff bauen
Beim Bau des Dachzeltes gibt es in meinen Augen 4 wesentliche Punkte zu beachten:
Aerodynamik
Die Hartschale sollte nach vorne hin abfallen. Das hat rein aerodynamische Gründe, um den ohnehin schon verschlechterten Windwiderstand durch den Dachaufbau nicht unnötig zu erhöhen.
Aus Platzgründen empfiehlt es sich, die Schräge ab ca. der Mitte des Dachzeltes zu beginnen. Das schafft etwas mehr Raum im hinteren Bereich der Hartschalen-Box, z.B. für das Verstauen des Bettzeugs. Achte aber bitte darauf, dass die niedrigste Stelle der Box noch ausreichend Höhe für die Matratze bietet.
Kecke Idee: Im Forum Outdoorseiten.de hat ein User sein selbstgebautes Dachzelt vorgestellt, inkl. Bauanleitung in PDF Format. Was können wir davon lernen? Es muss nicht immer ein kompletter Eigenbau sein. Der User hat sich für die Hartschale eines herkömmlichen Dachkoffers bedient, in der Mitte aufgeschnitten und mit Querstreben verbreitert. Genial!
Stoff an Holz befestigen und abdichten
Eine unsaubere Befestigung des Zeltstoffes an der Dachzelt-Schale führt schnell zu undichten Stellen. Das kann bei Regenwetter richtig ungemütlich werden und Wasserschäden im Inneren des Zeltes erzeugen.
Wir können hier von Hubdächern lernen. Die Oberschale sollte die Seiten überragen, damit Tropfwasser nicht direkt am Zeltstoff abfließt. Für die Befestigung des Zeltstoffs an der Oberschale eignet sich eine Kederleiste. Die Befestigung an der Unterseite sollte über eine Kombination aus Nieten und Klemmen entstehen.
Die Nieten sichern zunächst einen guten Halt des Stoffs auf dem unteren Rahmen. Das Einklemmen über ein Winkelführung verhindert Eindringen von Wasser, das sich auf dem Boden sammelt. Eine sehr anschauliche Skizze findest du im Land Rover Defender Forum Blacklandy.eu.
Verstärkung des Unterbodens
Man könnte meinen, dass das Übernachten im Dachzelt die Konstruktion stark belastet. Das ist nicht richtig – zumindest nicht vollständig. Die Matratze führt zu einem guten Gewichtsausgleich über die komplette Fläche der Konstruktion.
Deutlich stärkere Belastungen entsteht durch Beschleunigung oder Verzögerung des Trägerfahrzeuges. In diesen Situationen reißt das Eigengewicht des Dachzeltes und der Hartschale an der Dachbefestigung. Die Verbindung zum Fahrzeug ist in der Regel sehr belastbar, da professionell gefertigt. Die Sollbruchstelle findet sich an der Verbindung zwischen Dachträger und Hartschale. Diese muss zwingend verstärkt sein.
Am einfachsten geht das mit Vierkant Rohren. Sie werden in Längsrichtung auf der Innenseite der Box angebracht und mit dem Multiplex verschraubt. Über einen U-förmigen Haken, wie wir ihn von Dachkoffern kennen, wird die Dachzelt-Box mit den Dachträgern verbunden. Dazu müssen natürlich pro Ankerpunkt zwei Löcher links und rechts vom Vierkant Rohr gebohrt werden, um die Verbindung durchführen zu können.
Seitlicher Eingang
Bei Hartschalen-Klappdachzelten gibt es m.E. nur eine sinnvolle Position für den Eingang: seitlich an der vordersten, d.h. höchsten, Stelle in ausgeklapptem Zustand. Man kann so bequem über die Seite einsteigen. Einziger Nachteil: ohne Leiter gibt es kaum eine praktikable Möglichkeit, den Eingang zu erreichen
Dachträger montieren und Dachzelt befestigen
Ein Dachzelt alleine lässt sich nicht auf dem Fahrzeug befestigen. Dafür ist Unterstützung durch eine Dachträger Konstruktion notwendig.
Es gibt verschiedene Ausführung auf dem Markt. Für unser Hartschalten-Klappdachzelt eignet sich eine Montage auf Schienen. Das ist in der Regel auch die günstigste Alternative. Voraussetzung ist allerdings, dass das Trägerfahrzeug Nuten hierfür besitzt.
Sollte das nicht der Fall sein, käme das Aufnieten einer Schiene in Betracht. Offroad24 hat die verschiedenen Systeme zur Dachzelt Montage übersichtlich zusammengestellt.
Die Dachträger als Halterung für das Eigenbau-Dachzelt lassen sich übrigens für die gängigen PKW Modelle recht günstig gebraucht erwerben.