Ragnar. So hieß mein neuer Begleiter auf dem australischen Kontinent. Mein fahrbarer Untersatz. Mein neues Zuhause. Mein eigener Van! Den Namen, angelehnt an den Hauptcharakter der Serie ‚Vikings‘, verdankte er den Vorbesitzern – „weil er durch dick und dünn geht“. Die Beteuerungen der sympathischen deutschen Backpacker stimmten mich optimistisch. Zu Unrecht, wie sich später herausstellte.

Mit dem Camper durch Australien

Gerade einmal zwei Monate hatte ich Zeit, den australischen Kontinent zu erkunden. Bereits im Vorfeld meiner Reise hatte ich beschlossen, mir Down Under einen fahrbaren Untersatz zuzulegen. Die gigantischen Entfernungen auf dem Roten Kontinent lassen sich zwar auch per Bus oder Flugzeug zurücklegen, doch ist man damit deutlich eingeschränkter. Spontan an einem schönen Fleck Natur anhalten geht nicht. Und davon gibt es in Australien jede Menge – jedoch nicht unbedingt mit passender Haltestelle.

Ein Mietwagen kam für die Dauer von zwei Monaten auch nicht in Frage. Ein Van wie er mir vorschwebte, mit eingebautem Bett, hätte pro Tag ab 49 $ aufwärts gekostet. Zu viel für meine Reisekasse. Ein eigenes Auto musste her.

Kauf eines Campers in Cairns

In Cairns angekommen, lieferte eine Suche auf der Online-Plattform Gumtree vielversprechende Ergebnisse. Die Backpackerszene in Australien ist groß und so gibt es viele niedrigpreisige alte Gurken für risikofreudige Abenteurer. Schon am nächsten Tag war ich stolze Besitzerin eines 20 Jahre alten Mazda E 2000 mit Automatikgetriebe und 380.000 km auf dem Tacho.
Da der Van im Bundesstaat Western Australia registriert war, war zur Eigentumsübertragung nur das Ausfüllen eines Formulars nötig. Behördengänge oder eine in anderen Bundesstaaten vorgeschriebene Werkstattuntersuchung des Autos entfielen. Praktisch, dachte ich.

Zwar fehlten ihm auf den zweiten Blick der linke Außenspiegel und je ein Scheibenwischerblatt vorne und hinten, sonst sah Ragnar für sein Alter jedoch ganz ansehnlich aus. Er hatte neue Reifen, ein eingebautes 1,40 m-Bett (Marke Eigenbau), und verfügte über eine Campingausstattung in Form von Gaskocher, Töpfen, Pfannen, Geschirr und Besteck. Ein neu eingebautes Radio mit USB-Anschluss garantierte ein stets geladenes Handy – ein wichtiger Faktor, wenn man viel Zeit abseits von Steckdosen verbringt

Ragnar on the Road

Die ersten Touren mit Ragnar waren super. Er sprang zwar nicht immer sofort an, doch diesbezüglich hatten mich die beiden Jungs bereits vorgewarnt. Man musste den Wagen eben mit Gefühl behandeln und etwas Geduld mitbringen. Das funktionierte in der Regel auch ganz gut. Als Backpacker hat man ja Zeit.

Nach heftigen Regenfällen tauschte ich die Scheibenwischer-Ersatz-Socken gegen richtige Wischerblätter aus. Sie waren ihr Geld definitiv wert. Mit aufgedrehter Musik und heruntergelassener Scheibe cruiste ich durch Australien. Genau so hatte ich es mir vorgestellt!

Die Probleme beginnen

Da sich das Leben im Osten Australiens entlang der Küste abspielt, bewegte ich mich meist auf den Küstenstraßen von Nord nach Süd. Ein Abstecher in die Atherton Tablelands stellte Ragnar vor eine neue Herausforderung: Steigung. Die Serpentinenfahrt erwies sich als Geduldsprobe, denn der Van zeigte überraschend wenig Leistung. Trotz des durchgedrückten Gaspedals krochen wir den Berg hinauf. Bei einem Stopp bemerkte ich, dass die Sitzbank heiß war. Ein Blick darunter offenbarte den glühenden Motor.

Ein zufällig neben mir parkender Australier warf einen fachkundigen Blick darauf. Beim Öffnen des Kühlerdeckels schoss ihm eine Fontäne heißen Wassers entgegen. „Head Gasket“, lautete seine Vermutung – die Zylinderkopfdichtung.  Spontan bot er an, den Wagen bei sich zuhause genauer unter die Lupe zu nehmen. Nach einem obligatorischen Bier und weiteren Untersuchungen des Motors schien sich Glenns Diagnose zu bestätigen: ein Haarriss in der Zylinderkopfdichtung.  Eines der teuersten Probleme, die ein Auto haben kann.

Doch Glenn hatte auch eine Lösung parat. An der Tankstelle kauften wir für 40 $ ein Mittel, dass solche Risse versiegeln konnte. Nachdem er es eingefüllt hatte, hieß es warten. Da es bereits auf den Abend zuging, bot er seine Einfahrt als Schlafplatz für die Nacht an. Am nächsten Morgen musste er schon früh arbeiten, ließ aber seine Haustür und damit den Zugang zur Dusche und einem Indoor-Frühstück offen. Typisch australische Gastfreundschaft!

Die Odyssee geht weiter

Einige Tage später und ein paar Hundert Kilometer weiter: Glenns Zaubermittel hatte leider nicht den gewünschten Effekt und der Wagen lief mittlerweile schon auf kurzen Strecken heiß. An eine Weiterfahrt war nicht mehr zu denken. Doch es war der Silvestertag und zur Abwechslung ein Hotel reserviert (und bereits bezahlt) – im 100 km entfernten Townsville. Die Werkstattsuche in einer australischen Kleinstadt am 31. Dezember erwies sich als schwierig, viele Betriebe waren geschlossen.

Ein von einem Autozubehörverkäufer empfohlener „Experte“ erbarmte sich schließlich und inspizierte den Van in seiner hauseigenen Werkstatt. Unter viel Fluchen erklärte er, dass dieses Auto nicht für die extremen Temperaturen in Queensland gemacht und generell viel zu alt und klapprig sei. Es wäre noch nicht einmal die Hälfte des Kaufpreises wert und ich solle es am besten direkt verschrotten. Da das keine praktikable Option war, probierte er es wie Glenn: mit einem „besseren“ Mittel, das Risse in der Zylinderkopfdichtung schließen sollte. Tatsächlich lief der Van danach zunächst besser und dem Silvesterabend in Townsville stand nichts mehr im Wege.

Du willst wissen, wie es weiter geht? Mit dem Camper durch Australien – Teil 2