Wir denken, dass Vanlife jede Beziehung auf die Probe stellt
– Alina und Timo

Wenn wir von Vanlife sprechen, dann denken wir an einen alternativen Lebenstil, an Freiheit, Spontanität, Selbstentfaltung, Ressourcenschonung durch Minimalismus, … – die Liste könnte ich vermutlich unendlich erweitern. Jeder hat eine andere Assoziation mit diesem Begriff. Was alles so positiv klingt, kann allerdings auch seine Herausforderungen bieten. Mit Alina und Timo wollen wir genau darüber sprechen: wie meistern die beiden das Leben auf den wenigen Quadratmetern Wohnraum einer Sprinter Ladefläche? Wieviel Zeit benötigt der Selbstausbau eines Vans wirklich? Wie wirken die Beschränkungen durch COVID-19 auf die Reisepläne? Um eins vorweg zu nehmen: um Alina und Timo brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Die beiden haben haben ihr Vanlife voll im Griff 🙂

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Kurz und knapp in Zahlen...
so alt sind wir beide zusammengerechnet: 65 Jahre
so lange kennen wir uns schon: fast 11 Jahre
so lange campen wir bereits gemeinsam: 10 Jahre, zuerst mit Fahrrad und Zelt
so lange besitzen wir unser derzeitiges Fahrzeug: seit November 2018

Unser Fahrzeug im Steckbrief...
Marke, Modell und Motorisierung: Mercedes Sprinter, W906, L2H2, 129 PS
Gesamtgewicht reisefertig: ca. 2,7 Tonnen
Baujahr: 2014
KM-Stand: 60.000 km

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Vanlife im Mercedes Sprinter

Über den Start ins Vanlife

Alina und Timo, ihr seid Fulltime Vanlifer. Wie wird man zum Vanlifer? Was war der Auslöser für den Ausbruch aus dem Alltag?

Nach dem Studium haben wir sofort mit den Jobs angefangen und wurden sehr schnell vom stressigen Alltag eingeholt. Das Privatleben kam einfach viel zu kurz und wir beschlossen das zu ändern. Zu dem Zeitpunkt haben wir einen VW Caddy ausgebaut und jede freie Minute in der Natur verbracht. Wir merkten sehr schnell, dass es genau unser Ding ist und starteten somit ein größeres Projekt – den Sprinter Ausbau.

…und die Finanzierung des Vanlifes? Schon vorab gesichert oder plant ihr mit kleineren Nebenjobs?

Wir haben lange für unseren Traum gespart und leben aktuell vom Ersparten. Allerdings haben wir schon ein paar Ideen, wie wir uns künftig finanzieren wollen, diese sind aber noch nicht spruchreif.

Nun reist ihr schon seit rund 170 Tagen durch Europa. Eure Erlebnisse kann man auf Instagram und eurer Webseite mitverfolgen. „Behind the scenes“: Wie lebt es sich auf den wenigen Quadratmetern einer Sprinter Ladefläche? Wie schnell adaptiert die Partnerschaft auf diese neue Situation?

Wir haben immer schon in einer sehr kleinen Wohnung gelebt und sind mit sehr wenig Raum gut ausgekommen. Als wir in den Van gezogen sind, war es eine Befreiung nur das Notwendigste mitzunehmen. Minimalismus pur. Wir denken, dass Vanlife jede Beziehung auf die Probe stellt – so war es bei uns auch. Auf so engem Raum gibt es immer Sachen, die einen stören. Deshalb kann es schon mal anstrengend werden. Wir unternehmen immer wieder etwas ohne den Partner, damit es nicht zu viel wird. Mittlerweile haben wir uns sehr gut an das Vanlife gewöhnt und unserer Beziehung geht es auch blendend 😉

COVID-19 und seine Herausforderungen

Da bin ich ja beruhigt 😉 Die letzten Wochen wart ihr stark von den Einschränkungen der Corona Pandemie betroffen. Überqueren von Grenzen und Einreise in größere Städte wurden fast überall verboten. Campingplätze mussten schließen und Reisende wurden teilweise mit wenigen Stunden Vorwarnung durch Charterflüge zurück nach Deutschland gebracht. Keine einfache Situation für Reisende. Was hat euch dazu bewogen, eure Reise fortzusetzen?

Die Corona-Krise schien bei unserer Reise so fern zu sein. Im Camper fühlt man sich recht sicher aufgehoben und kann schnell von A nach B fahren. Mit den Grenzschließungen und der Ausgangssperre hier in Griechenland haben wir nicht gerechnet. Wir haben uns lange überlegt was wir machen sollen. Wenn wir zurück nach Deutschland gefahren wären, hätten wir zu unseren Eltern ziehen müssen, weil wir keine eigene Wohnung mehr haben. Zusätzlich hätten wir mit der Fähre über Italien nach Deutschland fahren müssen. In Deutschland wäre dann eine Zwangsquarantäne erforderlich gewesen. Das Risiko, selbst infiziert zu werden und dann unsere Eltern anzustecken war uns dann doch zu hoch. Außerdem hat uns die griechische Polizei versichert, dass wir an unserem Stellplatz solange stehen bleiben können bis sich alles ein bisschen erholt hat.

Scheint bei euch soweit alles gut gegangen zu sein. Je nach Land und Region habe ich von sehr unterschiedlichen Reaktionen der Polizei gehört. In welchem Land habt ihr denn die meiste Zeit verbracht? Wie habt ihr euch durchgeschlagen?

Die meiste Zeit haben wir mittlerweile in Griechenland verbracht. Als die Grenzen zugemacht wurden, kam in Griechenland eine Ausgangssperre und wir durften fast zwei Monate lang nicht weiterreisen. So verbringen wir immer noch unsere Zeit hier an einem Strand auf der Insel Lefkada und warten bis wir weiter fahren können.

Welche Länder und Reiseziele stehen noch auf eurer Planung?

Unser Ziel war es den Sommer in Skandinavien zu verbringen. Auf dem Weg dorthin wollten wir die osteuropäischen Länder erkunden. Das müssen wir wohl aufschieben. Noch kann man aus Griechenland über den Landweg nicht heraus. Deshalb ist es unser Plan, erst mal in Griechenland zu bleiben und abzuwarten. Danach hängt unsere weitere Reiseroute stark von der Situation und den Restriktionen der einzelnen Länder ab.

Haben eure Reisepläne schon ein festes Ende oder lasst ihr das auf euch zukommen?

Eigentlich wollten wir nach der Europatour in den USA mit dem Vanlife weiter machen. Wir werden allerdings abwarten müssen, wie sich die Situation drüben entwickelt und spontan entscheiden.

Ein Mercedes Sprinter wird zum Camper

Alina und Timo, kommen wir mal zu eurem Fahrzeug, einem Mercedes Sprinter. Wieso fiel die Wahl auf den Sprinter?

Für uns kamen einige Kastenwagen in Frage. Nach einer genauen Recherche hielten wir den Mercedes Sprinter für das zuverlässigste Fahrzeug. Auf so einer Tour wollten wir einfach keine Überraschungen erleben. Wir wurden bisher auch nicht enttäuscht.

Mercedes Sprinter Camper Ausbau

Beschreibt doch mal ein wenig euren Umbau, was war euch beim Raumkonzept besonders wichtig?

Bei unserem Ausbau war uns das Thema Leichtbau besonders wichtig. Wir wollten nicht unnötig viel Gewicht über tausende Kilometer mit uns rumschleppen. Deshalb haben wir für die Verkleidung sowie die Möbel Pappelsperrholz und Paulowniaholz gewählt. Zudem war uns wichtig, im hinteren Bereich viel Stauraum für Wanderrucksäcke, Zelt, Kletterequipment, Bouldermatte, Longboards und und und… zu haben. Wir haben wirklich viel dabei 🙂 Zudem wollten wir weitgehend autark unterwegs sein und haben eine gute Wasserfilteranlage, eine Solaranlage und einen Ladebooster an Bord. Da wir den Winter im Camper verbracht haben und teilweise im Schnee gestanden haben, haben wir unseren Sprinter sehr gut isoliert und eine leistungsstarke Diesel-Standheizung verbaut.

Nun habt ihr, wenn ich das auf den Bildern richtig sehe, keine Nasszelle eingebaut. Wie macht ihr das mit der Körperhygiene, wenn ihr nicht auf dem Campingplatz steht?

Das ist eine sehr gute Frage. Wir haben eine akkubetriebene Campingdusche dabei, die wir draußen ohne Probleme benutzen können. Dafür spannen wir an der Hecktür eine Plane und schon haben wir eine abgetrennt Dusche. Außerdem nutzen wir häufig die Duschen am Strand, in Schwimmbädern, in Kletterhallen oder in Fitnessstudios. Mit einer Nasszelle wäre es deutlich einfacher, aber wir kommen bislang auch ohne zurecht. Wichtiger war uns, eine Toilette dabei zu haben.

Camer Umbau eines Mercedes Sprinter

Was war das Herausforderndste beim Umbau?

Das Teile- und Zeitmanagement. Immer fehlte irgendeine Schraube oder ein Kabelschuh. Wir waren fast jeden Tag beim Baumarkt. Zudem haben wir uns bei der Zeitangabe wie lange wir für den Ausbau brauchen, sehr verschätzt. Bei unserem nächsten Ausbau werden wir im Voraus mehr Zeit einplanen, uns keinen Druck machen. Einen gigantischen Vorrat an Schrauben und anderen Kleinteilen werden wir uns auch anlegen.

Irgendwelche Tipps an diejenigen, die gerade vor einem ähnlichen Projekt stehen?

Nehmt euch genug Zeit für euer Projekt. Lasst euch nicht von YouTube Videos beeinflussen die einen Camper Ausbau zeigen, der nur 2 Wochen gedauert hat. Bei so einem schnellen Ausbau bleibt die Qualität zwangsläufig auf der Strecke. Ein Ausbau ist einfach ein sehr aufwändiges Projekt, dass auch etwas Zeit kostet. Und gebt nicht auf, es lohnt sich!

Das Interview führte Clemens von 1camper. Die Bilder wurden freundlicherweise von Alina und Timo zur Verfügung gestellt. Mehr Material zum Camper Ausbau von Alina und Timo sowie den vielen Reiseerlebnissen findest du im YouTube Kanal Van Tour.

Vanlife mit selbst ausgebautem Mercedes Sprinter